Rundbrief Sonderedition COVID-19

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Kribi / Kamerun, 08.05.2020

Liebe Freundinnen und Freunde,

Die Pandemie hat auch in Kamerun das Leben auf den Kopf gestellt – wir stehen erst am Anfang, geschätzt sind wir im zeitlichen Verlauf ca. 4 Wochen hinter Deutschland. Seit Mitte März sind Grenzen und Schulen geschlossen.

Das Gesundheitssystem funktioniert schon in normalen Zeiten mehr schlecht als recht und organisiert sich nach dem anfänglichen Schock erst allmählich. Mit einem Notfallplan der Regierung wurden in jeder Region Labore für die Tests eingerichtet und bestimmte Kliniken und Camping-Lazarette als Anlaufstellen und Behandlungsorte für COVID Patienten bestimmt. Das medizinische Personal ist schlecht ausgestattet, es gibt weder Masken noch Alkohol, oft noch nicht mal fließendes Wasser. Es heißt, viele medizinische Fachkräfte seien infiziert und einige verstorben. Die Menschen haben – oft berechtigt – Angst, sich in Krankenhäusern anzustecken, meist kommen nur noch Notfälle.

Es gelten landesweit Regeln wie in Deutschland: Alles ist geschlossen, Hygieneregeln beachten, Abstand halten und Maskenpflicht im öffentlichen Raum. Und möglichst zuhause bleiben. Jedoch leben über 90% der Menschen von der Hand in den Mund und können nicht – wie gefordert – daheimbleiben. Wie sollen sie durchhalten ohne Krankenversicherung, ohne regelmäßiges Gehalt und ohne jegliche Rücklagen, wenn sie nicht durch kleinen Straßenhandel das Geld verdienen, um für heute Lebensmittel und Medikamente zu kaufen?

Jede Krise eine Chance!

Ich habe den Eindruck, dass die Kameruner eine hohe Krisen-Resilienz haben. Das Motto in Kamerun könnte lauten: „Jede Krise ist eine Chance!“ Die Menschen leben jeden Tag mit Unglück oder Tod, da ist Corona halt ein Problem mehr. Punkt. Vom Staat kann niemand was erwarten, da gibt es nur offiziell die Aufforderung: „Schneider Dir die obligatorische Maske selbst!“ („Make your mask sew!“). Nach der anfänglichen Panik versuchen Organisationen und engagierte Menschen auf lokaler Ebene mit viel Kreativität, das beste aus der Situation zu machen. Es werden selbst große, durchsichtige Wasserflaschen zu Schutzschilden für den Kopf umfunktioniert. Sie unterstützen sich gegenseitig darin, verantwortlich zu handeln zum Schutz vor Ansteckung.

Dr. Eder im HUPJEFI-Zentrum Bomono vor der Krise

Ich höre spannende Informationen über Kenntnisse der traditionellen Heilkunde: Möglichkeiten, das Immunsystem in der Bekämpfung von COVID-19 zu stärken und Heilkräuter bei der Behandlung zu nutzen. Das zeigt eine wachsende Wertschätzung der eigenen Kulturen.

Eine andere Hoffnung entwickelt sich aus der zusammenbrechenden wirtschaftlichen Situation. Es gibt Diskussionen, die Ressourcen des Landes, wie Holz, Palmöl, Kakao, Obst, Kaffee, vermehrt in eigenen Industrien weiter zu verarbeiten. Das stärkt die Wirtschaft im Land und schafft Arbeitsplätze. Zu vieles wird billig als Rohstoff ausgeführt und als verarbeitetes Produkt teuer zurückgekauft.

Hoffen wir, dass auf Worte Taten folgen!

Ich selbst kann und will jetzt nicht reisen… selbst nicht bis Douala. Mein Platz ist jetzt hier, bei den vielen Menschen vor Ort.
Meine Hauptaufgabe: die Leute mit ihren Fragen und Zweifeln zu begleiten. Zweimal pro Woche konsultiere ich in zwei Kliniken in Kribi Patienten mit Depression, Burnout oder Suizidgefährdung. Auch ist es wichtig, Panik abzubauen, Fake-News zurechtzurücken, soweit ich das kann, Menschen, auch Kollegen, medizinisch fundiert zu informieren über z.B. den Umgang mit Masken. Ich bin froh, weiterhin das Leben mit den Freunden aus den Projekten in Deutschland und Kamerun zu teilen – und auch mit euch.

Patience ist in Kamerun – der Umbau ist in vollem Gang

Für 2020 haben die Projektinitiatorin Patience Mollè und der Stiftungsrat klare Prioritäten gesetzt: HUPJEFI und die Berufsschule in Douala sollen sich fortentwickeln können. Dazu ist der der Umzug der Zentren in andere Stadtviertel nötig und, damit verbunden, beachtliche Umbauarbeiten, vor allem auf dem Farmgelände.

Patience am Bau in Bonendale, 8. Mai 2020

Glücklicherweise ist Patience Mollè Lobè gerade noch vor der Pandemie nach Kamerun eingereist… und kann wegen der Grenzschließung noch nicht zurück nach Rom. So haben wir im Projekt die Chance, dass sie sich selbst voll um den Umbau kümmert. Sie ist als Bauingenieurin die ideale Bauleiterin, um die umfangreichen Umbaumaßnahmen voranzubringen:

In Bonendale den Umbau der ehemaligen Eierfarm in eine Berufsschule sowie der Futterhalle in ein HUPJEFI- Zentrum für ledige Mütter, vor allem Binnenflüchtlinge aus den anglophonen Zonen.

In Bomono der Umbau der HUPJEFI-Holzbaracke in ein festes Gebäude mit sanitären Anlagen und Küche.

Baumaßnahmen können, wie in Deutschland auch, in Zeiten von Corona weiter durchgeführt werden. Wer von den Mitarbeitern im Zentrum gerade nicht gebraucht wird, hilft am Bau mit.

Allerdings betreffen mit COVID 19 verbundene Einschränkungen auch die Zentren. Seit Mitte März mussten wir alle Aktivitäten in den Zentren einstellen. Die Mädchen sind damit mehr daheim und helfen, irgendwie zu überleben. Die Mitarbeiter stehen jedoch in regem Kontakt mit den Mädchen/Schülerinnen: Entweder telefonisch über ein Handy von Mutter, Tante, Onkel oder Oma, da die Mädchen selbst keines haben – Informationen fließen also. Die Mädchen bekommen regelmäßig Hausaufgaben und Handarbeiten. Oder auch durch Hausbesuche (mit Masken), wobei sie vom Zentrum Masken und Nahrungsmittel erhalten.

Wir hoffen, für Herbst HUPJEFI in Bonendale eröffnen zu können. Dazu und für den Umbau und Umzug der Berufsschule Doriana brauchen wir auch noch erhebliche weitere finanzielle Mittel. Der Betrieb in den Einrichtungen muss zudem weiter am Laufen gehalten werden. Die Schülerinnen der Doriana müssen Teleunterricht bekommen, um das staatliche Diplom im Juli trotz Lockdown zu bekommen. Für HUPJEFI macht die Regierung uns zur Auflage, Sozialarbeiter anzustellen. Wir sind dankbar für jede kleine oder größere Spende von Eurer Seite. Corona fordert auch in Deutschland finanzielle Einschränkungen. Trotzdem hoffen und vertrauen wir darauf, dass diese Krise zu größerer Solidarität verhilft, gerade mit den Benachteiligten, und Sie/Ihr uns auch weiterhin unterstützt. Vielen Dank allen Spendern!

Mögt Ihr alle Eure Gesundheit bewahren und diese Krise als Chance nützen!
Ich schicke Euch einen Riesenkorb Gottvertrauen, denn letztlich sind wir alle in Gottes Hand!

Liebe Grüße,
auch von Patience Mollè Lobè,

Dr. Reginamaria Eder